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Z51.83G – Forum Substitutionspraxis Ausgabe 72

Z51.83G – Forum Substitutionspraxis Ausgabe 72
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Z51.83G – Forum Substitutionspraxis

Monatsrundbrief                 Ausgabe 72, 10. Mai 2023

 
         
   

 

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

 

morgen werden Bundeskriminalamt und Drogenbeauftragter die Statistik für die Drogentodesfälle im vergangenen Jahr veröffentlichen. Erste Meldungen aus Baden-Württemberg und Hamburg lassen erwarten, dass die Anzahl der Fälle 2022 ein weiteres Mal angestiegen ist und voraussichtlich bei über 2.000 liegen wird.

In der Klassifizierung von Drogentodesfällen unterscheidet das Bundeskriminalamt folgende Gruppen:

− Todesfälle infolge unbeabsichtigter Überdosierung,

− Tod infolge einer Gesundheitsschädigung (körperlicher Verfall, HIV oder Hepatitis C, Organschwäche) durch langanhaltenden Drogenmissbrauch („Langzeitschäden“),

− Selbsttötungen aus Verzweiflung über die eigenen Lebensumstände oder unter Einwirkung von Entzugserscheinungen (z. B. Wahnvorstellungen, starke körperliche Schmerzen, depressive Verstimmungen),

− tödliche Unfälle von unter Drogeneinfluss stehenden Personen.

(Quelle: Analyse drogeninduzierter Todesfälle, IFT Institut für Therapieforschung, München, Prof. Dr. Ludwig Kraus 2018, https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Drogen_und_Sucht/Berichte/20180822_Abschlussbericht_Analyse_drogeninduzierter_Todesfaelle.pdf )

Die Meldung eines Drogentodesfalles geschieht bundesweit völlig unterschiedlich: Obduktionen und toxikologische Gutachten liegen in vielen Fällen nicht vor: „Dabei ist zu beachten, dass auch weiterhin in vielen Fällen die Todesursächlichkeit der festgestellten Stoffe nicht eindeutig ist bzw. aufgrund fehlender toxikologischer Gutachten nicht zweifelsfrei benannt werden kann.“ (BKA, 2022)

 

Und ob ein Tod auf „Langzeitschäden“ infolge langjährigen Drogenmissbrauchs zurückgeführt wird, liegt in der Hand derjenigen, die den Totenschein ausstellen. Drogenhilfeeinrichtungen berichten, dass langjährige KlientInnen, die an Langzeitschäden“ sterben, nicht immer in den örtlichen Drogentodesfall-Statistiken aufgeführt werden.

Die offizielle Gesamtzahl liegt deshalb seit vielen Jahren niedriger als die Anzahl der tatsächlichen Drogentodesfälle. Interessant für die aktuelle Entwicklung sind in erster Linie die Angaben über unbeabsichtigte Überdosierungen und über tödliche Mischintoxikationen im Verlauf der Jahresberichte, da diese die jeweils aktuelle Entwicklung darstellen. Todesfälle nach „Langzeitschäden“ bilden nicht die Folgen einer aktuellen Drogenpolitik ab.

 

Sofern toxikologische Gutachten vorliegen, lässt sich in der Regel auch feststellen, welche Substanzen zum Tod geführt haben. Besondere Aufmerksamkeit richtet die europäische Drogenpolitik derzeit auf das mögliche Aufkommen von Fentanyl. In den USA gibt es praktisch kein Fentanyl-freies Heroin mehr, auch Kokain und Methamphetamin wird es beigemischt und gefälschten Opioidtabletten schon länger. Die niedrigen Herstellungskosten und der vergleichsweise unaufwändige Transport verschaffen Fentanyl einen ökonomischen Vorteil gegenüber Heroin. Es darf angenommen werden, dass die mexikanischen Kartelle, die den nordamerikanischen Markt beherrschen, die Absatzchancen in Europa ebenfalls im Auge haben. EMCDDA und nationale Drogenbehörden beobachten deshalb aufmerksam die Entwicklung synthetischer Opioide auf europäischen Drogenmärkten. Die Deutsche AIDS-Hilfe hat mit Förderung des Bundesgesundheitsministeriums zum Jahreswechsel das Bundesmodellprojekt RAFT Rapid Fentanyl Tests in Drogenkonsumräumen gestartet: Mit 5.000 Fentanyl-Schnelltests soll bis November 2023 in 17 Drogenkonsumräumen herausgefunden werden, wie stark das synthetische Opioid verbreitet ist. Auf dem akzept-Kongress wurden erste Ergebnisse vorgestellt. Aus einzelnen Drogenkonsumräumen wurde unterdessen bekannt, dass die Anzahl der positiven Tests nach den ersten 1.300 Streifen höher als erwartet ist. Nun sollen einzelne Proben validiert werden.

 

Deutsche AIDS-Hilfe und akzept e.V. führen seit zwei Jahren das Projekt naltrain – Naloxon Schulungen durch, das vorsieht, Opioid-KonsumentInnen und ihrem Umfeld die Anwendung des Gegenmittels Naloxon (Nyxoid®) zu vermitteln und sie mit dem lebensrettenden Nasenspray auszustatten. Die Schulungen finden überwiegend in Drogenhilfeeinrichtungen statt, eine Zwischenbilanz wurde ebenfalls auf dem akzept-Kongress vorgestellt. Kritisiert wurde die mangelnde Bereitschaft der substituierenden ÄrztInnenschaft, Kurse zu unterstützen und heroinkonsumierenden PatientInnen Naloxon zu verschreiben.

 

Ein Baustein, die Zahl der Drogentodesfälle zu senken, ist die Ausweitung der Substitutionsbehandlung. Auf der Homepage finden Sie Artikel zur Substitution Opiatabhängiger in Deutschland und Schleswig-Holstein und eine Zusammenfassung der seit 8. April gültigen Substitutionsregeln in der BtMVV und in der Richtlinie der Bundesärztekammer.

Diamorphin in der Opioidsubstitutionsbehandlung wurde zugelassen als Medikament für „Schwerstabhängige“. Nach mehr als 15 Jahren Erfahrung mit Diamorphin (DAM) wird deutlich, dass eine große Anzahl der PatientInnen schwere Entwicklungstraumata und eine PTBS-Diagnose in der Vorgeschichte aufweist und Diamorphin bei ihnen als Psychopharmakon angesehen werden sollte und nicht lediglich als ein weiteres Substitutionsmedikament zur Unterdrückung von Entzugsbeschwerden, erläuterte Thomas Peschel (Berlin/Hannover) auf dem akzept-Kongress.

 

Die Aktualisierung der Zugangsbedingungen für die Behandlung mit Diamorphin wird Gegenstand der nächsten Reform des Substitutionsrechts sein.

Das Dezernat Vergütung und Gebührenordnung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung hat den Vorschlag der DGS – Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin abgelehnt, die derzeitige Vergütungssystematik zu verlassen und eine neue Pauschale in den EBM aufzunehmen für die substitutionsgestützte Behandlung Opioidabhängiger, sowie die Berechnungsfähigkeit des Zuschlags für das therapeutische Gespräch von viermal auf achtmal im Behandlungsfall zu erhöhen. Nun soll mit der KV Hessen beraten werden, ob das dortige Modell der „Hessenziffer“, die für Take-Home-Rezepte einen Zuschlag vorsieht, alternativ genutzt werden kann.

Subutex gibt es jetzt auch als Depotzubereitung.

 

Hexal hat L-Polamidon von Sanofi übernommen. Und Hexal übernimmt den Schweizer Diamorphin-Hersteller Diamo Narcotics GmbH, der Vertrag soll so bald wie möglich zum Abschluss gebracht werden. Die Belieferung der PatientInnen in Deutschland mit Diaphin i.v. ist auf alle Fälle weiterhin gesichert und die Einreichung des Antrags auf Zulassung von DAM-Tabletten in Deutschland ist zeitnah geplant, teilt Hexal mit.

 

Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf sucht TeilnehmerInnen für eine Forschungsstudie, wie sich regelmäßiger Konsum von Opiaten (auch Methadon) auf das Gehirn auswirkt, und für eine Online-Studie zu Z-Substanzen und Benzodiazepinen.

Die Kalender für Webinare und Fachtagungen/Kongresse und die Lieferengpassmeldungen sind auf dem aktuellen Stand.

Und die Homepage ebenfalls.

 

Die nächste reguläre Ausgabe von Z51.83G FORUM SUBSTITUTIONSPRAXIS erscheint am zweiten Mittwoch im Juni, also am 14. Juni 2023.

In der Zwischenzeit werden Sie neu verlinkte Veröffentlichungen in der Rubrik „neu“ lesen können.

Viel Spaß beim Lesen und empfehlen Sie uns weiter!

Hans-Günter Meyer-Thompson
- Redakteur -
 
Impressum: http://www.forum-substitutionspraxis.de/newlinks/1025-impressumneu
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